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Literatur

Interview mit Karl Ignaz Hennetmair über Thomas Bernard

„Schauen Sie, der Thomas hat die sogenannten Intellektuellen wegen ihres affektierten Auftretens gehasst. Die Landbewohner wiederum verachtete er wegen ihres Stumpfsinns. Ich hingegen war weder das eine noch das andere. Als früherer Ferkelhändler und später dann als Realitätenvermittler stand ich irgendwie dazwischen. Ich glaube, er hat schlicht und einfach meine ehrliche, unverstellte Art gemocht, die in seinem Milieu, dem Kunstbetrieb, nicht existierte.“

Cicero

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Literatur

Zum 80sten

Warum sitzen Sie den ganzen Tag im Kaffeehaus? Zu Hause lauert der Tod! (Thomas Bernard)

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Literatur musik Paris Sprache

interview

…Ich schreibe nicht für jemanden. Das ist das Letzte, wenn man sich dazu entwürdigt!…Wenn Sie sich darum kümmern, was sie(die Leute) denken, haben Sie es mit Lesern zu tun, mit dem Leser, das sagt schon alles!…Nein kein Bedarf, er liest, um so besser, wenn es ihn nicht gefällt, was soll’s? …Wenn mir Ihre Zeitung eine lebenslängliche Leibrente von 1000 Francs monatlich aussetzt, verzichte ich auf alles, ja, ich verbiete, daß man mich druckt, mit Vergnügen, mit Freuden!…Ja, das kotzt mich auch an!…In „Voyage“ bringe ich der Literatur noch gewisse Opfer, der gehobenen Literatur. Man findet noch schön gebaute Sätze…Meine Meinung nach ist das vom technischen Standpunkt aus veraltet…Ich wurde in Abenteuer verwickelt…Wie die Journalisten. Wir sind alle Journalisten. Ohne zu wissen, was wir erleben…Der Typ…dem…eine Bombe auf die Schnauze fällt, merkt gezwungenermaßen, daß etwas passiert, er schreibt an seine Zeitung!…Vor kurzem kam ein Typ daher, der sagte, ich hätte Komplexe…Nein! Alle anderen haben Komplexe für mich…

Madeleine Chapsal,( „Französische Schriftsteller intim“, Matthes&Seitz) im Gespräch mit Ferdinand Celine im Juni 1957 im Garten seines Hauses in Meudon.

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Lebensweisheiten Literatur

tableau unserer ticks(sz)

Beitrag 10007

ICH HÖRE GERNE MEINEN HAUHALTSGERÄTEN ZU

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Hätten sie es gewusst? ich weiss nix Literatur

Neue Sicht der Dinge

„Dieses neue Gefühl hat mich nicht plötzlich umgewandelt, beseligt, erleuchtet, wie ich das in meinen Träumereien erhofft hatte; es ist damit geradeso gegangen wie mit meinem Gefühle für meinen Sohn. Es ist auch nicht wie eine Überraschung über mich gekommen. Sondern dieses Gefühl (ob man es nun Glauben nennen will oder nicht; ich weiß nicht, was es eigentlich ist), dieses Gefühl ist ebenso unmerklich wie jenes unter Leiden in meine Seele eingezogen und hat dort seinen festen, dauernden Wohnsitz genommen.

Ich werde mich auch in Zukunft ebenso wie bisher über den Kutscher Iwan ärgern; ich werde mich ebenso streiten und zur Unzeit meine Gedanken aussprechen; es wird ebenso eine Scheidewand zwischen dem Allerheiligsten meiner Seele und anderen Menschen, selbst meiner Frau, bestehen bleiben; ich werde ihr ebenso für meine eigene Angst Vorwürfe machen und dies dann bereuen; ich werde ebensowenig mit dem Verstand begreifen, warum ich bete, und werde trotzdem beten. Aber mein Leben, mein ganzes Leben, wie auch immer es sich äußerlich gestalten mag, jeder Augenblick meines Lebens wird jetzt nicht zwecklos sein wie bisher, sondern zu seinem alleinigen, bestimmten Zweck das Gute haben. Denn das liegt jetzt in meiner Macht: meinem Leben die Richtung auf das Gute zu geben!“
(Konstantin Dmitrijewitsch Ljewin über seine neue Sicht der Dinge)(Quelle)

PS: Es gibt bessere Übersetzungen!

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Hätten sie es gewusst? Literatur

Himmel über Lewin?

„Weiß ich nicht, daß dies ein unendlicher Raum ist und nicht ein rundes Gewölbe? Und wie ich auch meine Augen zukneifen und die Sehkraft anstrengen mag, ich kann ihn nicht anders als rund und begrenzt ansehen; und trotz meiner Erkenntnis des unendlichen Raumes habe ich unzweifelhaft recht, wenn ich mir sage, das ich ein festes, blaues Gewölbe über mir sehe, und bin damit mehr im Recht, als wenn ich mich anstrenge, darüber hinauszusehen …“ (Konstantin Dmitrijewitsch Ljewin in den Himmel schauend)

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Hätten sie es gewusst? Lebensweisheiten Literatur

Ruderboot

Auf jedem Schritt machte er die Erfahrung, die ein Mensch macht, der an dem Anblick eines auf glatter Wasserfläche leicht hingleitenden Bootes seine Freude hatte und dann selbst in diesem Boote fahren soll. Er sieht nun, daß es nicht nur darauf ankommt, ruhig zu sitzen und nicht zu schaukeln, sondern, daß er auch die Fahrtrichtung nicht einen Augenblick aus den Augen noch die Ruder aus den Händen lassen darf, daß die ungewohnten Arme leicht ermüden und, so leicht die Sache vom Ufer sich ansieht, sie doch, bei aller Annehmlichkeit, in Wirklichkeit recht schwer ist. (Anna Karenina, Leo Tolstoi)

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Literatur Podpoem

alte Zettel(8)

Muttermilchkäse
Zielkonsens
„Gut zu wissen, daß alles besser wird.“ (Glückskeks)

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Lebensweisheiten Literatur Podpoem

Zettel, gefunden (3)

demokratie
chemokratie
hitler geht immer
salon zur wilden renate (brücke strahlauer str.)(?)
(auch schon ein paar jährchen zurück)

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Literatur

Celine

Celine

… ein Komma … man darf den Korrektoren nicht trauen, sie haben ja den gesunden Menschenverstand
und der ist der Tod des Rhythmus!

Illu

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Literatur

Leben mit Hitler

Görtemaker: In der NS-Propaganda hieß es, Hitler sei mit Deutschland verheiratet. Den Ausschlag gab jedoch wohl etwas anderes: Hitler fürchtete die Macht einer Ehefrau, er hatte Angst davor, persönlich angreifbar zu werden. Er hielt sich ja alle vom Leib – sogar seine wenigen Familienangehörigen. Eva Braun lebte zwar mit Hitler, aber eben nicht als legitime Partnerin, die Druck auf ihn ausüben hätte können.

sueddeutsche – “Eva Braun hatte fast Narrenfreiheit“ Interview mit Heike B. Görtemaker über ihr Buch „Eva Braun – Leben mit Hitler“

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Literatur

An Anne Geddes Baby Grows Up.

„Excuse me? She „just loves children?“ Don’t you defend her—she routinely stuffs babies into flowerpots. That’s not love.“
Timothy Mc Sweeney, Short Imagined Monologues

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Literatur

Neukölln in den 70ern

Am Asia-Snack spielen fünfzehnjährige Mädchen mit Amy-Winehouse-Frisuren an ihren Handys. „Das hätte es früher nicht gegeben“, stellen wir fest, „und S-Bahn fahren war damals auch nicht üblich!“ Dafür konnte in der U-Bahn selbstverständlich geraucht werden, erinnert sich Pyka, als wir in die Braunschweiger Straße einbiegen, wo er 1973, siebzehnjährig, seine erste Wohnung bezog. Er kam aus der Gegend um Salzgitter. „Das pure Grauen der Sechziger“, fasst er zusammen, „Betonstraßen mit Teernähten, Peitschenlampen, Kartonhäuser, gespenstische Leere. Als ich endlich in Neukölln wohnte, kam ich mir vor wie in New York.“

der tagesspiegel über Hans-Gerd Pykas Neukölln-Roman „Königswasser“, via diskurs.tumblr

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Berlin Literatur

Cees Nooteboom: „Berlin 1989/2009 “

Als Außenstehender und anteilnehmender Augenzeuge zugleich erlebt Cees Nooteboom das Jahr 1989 in Berlin. Seinen Bericht Berliner Notizen über diese Zeit, in der aus zwei deutschen Staaten einer wurde, rühmt Die Zeit als einen »schön erbarmungslosen Spiegel Deutschlands«. Ende der Neunziger besucht der Autor erneut die nun nicht mehr geteilte Stadt. Und zehn Jahre später inspiziert er die Berliner Verhältnisse ein weiteres Mal.

Gregor Gysi und Cees Nooteboom im Gespräch, 15.11., 11 Uhr im Deutschen Theater, Berlin

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Literatur

The Humbling

Huffington Post, Philip Roth’s The Humbling Is, At 140 Pages, His Best Book In Years

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Literatur

His Pynchon’s voice (oder auch nicht)

Penguin Books hat natürlich nicht verraten, ob der Mann mit der Tüte auf dem Kopf hier selbst aus seinem neuen Buch vorliest. Wie auch immer, schön ist vorallem die Preisansage am Ende:

„27, 95$. Twenty-seven ninety five?! Really? That used to be like three weeks of groceries, man!“

Zeigt auf jedenfall, dass man als Verlag nicht unbedingt Banner an lebende Fliegen kleben muss, um Bücher clever zu vermarkten… Auch prima, dass es zu jedem seiner Romane ein eigenes wiki gibt – für „Inherent Vice“ sogar mit Playlist der darin erwähnten Songs. Da verzichte ich doch gerne auf das bisschen Gemüse!

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Literatur

Österreichismen

Der Haas natürlich wie immer:
Aber nicht, dass du jetzt wieder glaubst,
ja was glaubst du denn.
Aber jetzt pass auf.
Stell dir vor, was passiert ist:
Jetzt hat doch der Wolf Haas doch schon wieder einen Roman geschrieben

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Literatur Medien Visuelle Kommunikation

Fünfzig Inseln, auf denen ich nie war und niemals sein werde

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Dass es immer noch Orte gibt, die schwer zu erreichen sind, erscheint uns heute nicht mehr vorstellbar. Judith Schalansky aber hat sie gesammelt: fünfzig entlegene Inseln in den Ozeanen der Welt.

via

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Kunst Literatur Weltverbesserung

L’art pour l’art

bedeutet für eine Generation die Unabhängigkeit der Kunst , für eine andere die Unabhängigkeit des Künstlers.
Die ersten verteidigen eine ästhetisch exakte These, die zweiten verbreiteten eine ethisch irrige Theorie.
(Gomez Davila, „Scholien…“)

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Literatur Paris

bernd mattheus

wenn einer in ’seinem‘ TOD die einzige und letzte chance sieht, menschliche würde zu beweisen, dann ist der verdammt allein, absolut allein.

bernd mattheus, 26.6.09, 8.30 +, Kassel

(‚heftige stille‘, München, ’86)

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Literatur

Zettel

Zettel des Tages

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Allgemein Film Lebensweisheiten Literatur Politik Weltverbesserung

mein kampf
With the exception of actual hostile elements there are no negative people in socialist society who find fault with Party policy or oppose it, nor could such people exist.

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Hätten sie es gewusst? Kunst Literatur Medien Netz Podpoem Weltverbesserung

labor deutschland (1)

kurze handlungsketten sind wichtig. nicht dieses lange rumgefuchtel. wenn der nachbar laut ist, bumm! wenn man vögeln will, bämm! die amerikaner haben ihre waffengesetze, die deutschen ihre autobahn.

der weg zurück ist versperrt! manche sagen, früher war es nicht so. vor der zivilisation. die haben auch erst ein formular ausgefüllt, bevor sie die keule geschwungen haben. öfters mal was neues! also heute keine rücksicht nehmen (der rückspiegel ist mit vorsicht! zu geniessen) und keine vorsicht (bitte nur im rückblick) walten lassen. ich seh schon, der raum wird eng.

zwischen dem inneren wollen und dem äusseren weg dorthin, ist er verdammt weit, der raum. das birgt frustration! was nun? ichag! klar, nicht mal als arbeitssklave akzeptiert, aber zickzack in die freiheit sprich selbstständigkeit geschickt. digitales böhmen (danke rolf) ist eine idee von der computerspielgeneration. kurze handlung, schnelle befriedigung. selbstausgedacht natürlich! onanie mit winzigem geschlechtsteil, aber immerhin steht das ziel fest. die frage ist nur, wie lange man braucht. und der piephahn hängt oft schneller nach unten als gedacht. da hilft auch keine reibung mehr. das ist alles in unseren köpfen und lässt uns nicht in ruhe. vorsicht, rücksicht, befriedigung!

man muss 12 monate auf den weihnachtsmann warten und dabei schön brav sein. oder egal in welcher position, 40 jahre brav malochen, um die rente im altersheim abzubummeln. auch wenn man sich zwischendurch ein eis davon kaufen kann, ist es doch erbärmlich. knechtschaft wohin man schaut. egal auf welcher ebene. da haben wir uns im laufe der zeit ja was nettes zusammen gebastelt.

aber da geht noch was anderes. ich kann das spüren. es gibt eine andere lösung. es gab immer menschen die sich befreit haben. die ihr innerstes in den vordergrund gestellt und die äusseren verbindlichkeiten wenn nötig gekappt haben. ich bin mir sicher, dass es jeder hinbekommt, wenn er nur lange genug bohrt.

das aber bitte mit humor und leichtigkeit und nicht mit verbissener miene. die zeit braucht ihre zeit. mit dem kopf durch die wand ist rüchsichtslos. kurze handlungskette, vorsicht!

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Allgemein Literatur Medien Visuelle Kommunikation

labor kassel(2); im kreisssaal

Jedes menschliche Antlitz ist eine genau bezeichnete Paradiesespforte, die mit keiner anderen Himmelstür zu verwechseln ist und welche niemals von mehr als einer einzigen Seele durchschritten werden kann.“leon bloy, faz, gestern, irgendwo

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Literatur

jacob v. gunten (2)

Man lernt hier im Institut Benjamenta Verluste empfinden und ertragen, und das ist meiner Meinung nach ein Können, eine Übung, ohne die der Mensch, mag er noch so bedeutend sein, stets ein großes Kind, eine Art weinerlicher Schreihals bleiben wird. Wir Zöglinge hoffen nichts, ja, es ist uns streng untersagt, Lebenshoffnungen in der Brust zu hegen, und doch sind wir vollkommen ruhig und heiter. Wie mag das kommen? Fühlen wir über unsern glattgekämmten Köpfen etwas wie Schutzengel hin und her schweben? Ich kann es nicht sagen. Vielleicht sind wir heiter und sorgenlos aus Beschränktheit. Auch möglich. Aber ist deshalb die Heiterkeit und Frische unserer Herzen weniger wert? Sind wir überhaupt dumm? Wir vibrieren. Unbewußt oder bewußt nehmen wir auf vieles ein wenig Bedacht, sind da und dort mit den Geistern, und die Empfindungen schicken wir nach allen möglichen Windrichtungen aus, Erfahrungen und Beobachtungen einsammelnd. Uns [114] tröstet so vieles, weil wir im allgemeinen sehr eifrige, sucherische Leute sind, und weil wir uns selber wenig schätzen. Wer sich selbst sehr schätzt, ist vor Entmutigungen und Herabwürdigungen nie sicher, denn stets begegnet dem selbstbewußten Menschen etwas Bewußtseinfeindliches. Und doch sind wir Schüler durchaus nicht ohne Würde, aber es ist eine sehr, sehr bewegungsfähige, kleine, bieg- und schmiegsame Würde. Übrigens legen wir sie an und ab je nach Erfordernissen. Sind wir Produkte einer höheren Kultur, oder sind wir Naturkinder? Auch das kann ich nicht sagen. Das eine weiß ich bestimmt: wir warten! Das ist unser Wert. Ja, wir warten, und wir horchen gleichsam ins Leben hinaus, in diese Ebene hinaus, die man Welt nennt, aufs Meer mit seinen Stürmen hinaus. Fuchs ist übrigens ausgetreten. Mir ist das sehr lieb. Ich wußte mit diesem Menschen nichts anzufangen.

Project gutenberg, r.walser, j.v.gunten

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Literatur

berlin

Ich bin meinem Bruder Johann begegnet, und zwar im dichtesten Menschengewimmel. Unser Wiedersehen hat sich sehr freundlich gestaltet. Es war ungezwungen und herzlich. Johann hat sich sehr nett benommen, und ich wahrscheinlich mich auch. Wir sind in ein kleines, verschwiegenes Restaurant getreten und haben dort geplaudert. »Bleib‘ nur der, der du bist, Bruder,« sprach Johann zu mir, »fange von tief unten an, das ist ausgezeichnet. Solltest du Hilfe brauchen – –« Ich machte eine leichte, verneinende Handbewegung. Er fuhr fort: »Denn sieh‘, oben, da lohnt es sich kaum noch zu leben. Sozusagen nämlich. Versteh‘ mich recht, lieber Bruder.« – Ich nickte lebhaft, denn es leuchtete mir schon zum voraus ein, was er mir sagte, aber ich bat ihn, weiterzureden, und er sprach: »Oben, da herrscht solch eine Luft. Nun, es herrscht eben eine Atmosphäre des Genuggetanhabens, und das hemmt und engt ein. Ich hoffe, du verstehst mich nicht ganz, denn wenn du mich verstündest, Bruder, dann wärest du ja eigentlich gräßlich.« – Wir lachten. O, mit einem Bruder zusammen lachen [79] zu können, das ist sehr hübsch. Er sagte: »Du bist jetzt sozusagen eine Null, bester Bruder. Aber wenn man jung ist, soll man auch eine Null sein, denn nichts ist so verderblich wie das frühe, das allzufrühe Irgendetwasbedeuten. Gewiß: dir bedeutest du etwas. Bravo. Vortrefflich. Aber der Welt bist du noch nichts, und das ist fast ebenso vortrefflich. Immer hoffe ich, du verstehst mich nicht ganz, denn wenn du mich vollkommen verstündest – –« »Wäre ich ja gräßlich,« fiel ich ihm ins Wort. Wir lachten von neuem. Es war sehr lustig. Ein merkwürdiges Feuer fing an, mich zu beseelen. Meine Augen brannten. Das liebe ich übrigens sehr, wenn’s mir so verbrannt zumut ist. Mein Kopf ist dann ganz rot. Und Gedanken voll Reinheit und Hoheit pflegen mich dann zu bestürmen. Johann fuhr fort, er sagte folgendes: »Bruder, bitte, unterbrich mich nicht immer. Dein dummes junges Gelächter hat etwas Ideenerstickendes. Höre. Paß gut auf. Was ich dir sage, kann dir vielleicht eines Tages von Nutzen sein. Vor allen Dingen: komme dir nie verstoßen vor. Verstoßen, Bruder, das gibt es gar nicht, denn es gibt vielleicht auf dieser Welt gar, gar nichts redlich Erstrebenswertes. Und doch sollst du streben, leidenschaftlich sogar. Aber damit du nie allzu sehnsüchtig bist: präge dir ein: nichts, nichts Erstrebenswertes gibt es. Es ist [80] alles faul. Verstehst du das? Sieh‘, ich hoffe immer, du könntest das alles nicht so recht verstehen. Ich mache mir Sorgen.« – Ich sagte: »Leider bin ich zu intelligent, um dich, wie du hoffst, mißverstehen zu können. Aber sei ohne Sorgen. Du erschreckst mich durchaus nicht mit deinen Enthüllungen.« – Wir lächelten uns an. Dann bestellten wir uns Neues zu trinken, und Johann, der übrigens sehr elegant aussah, fuhr fort zu sprechen: »Es gibt ja allerdings einen sogenannten Fortschritt auf Erden, aber das ist nur eine der vielen Lügen, die die Geschäftemacher ausstreuen, damit sie um so frecher und schonungsloser Geld aus der Menge herauspressen können. Die Masse, das ist der Sklave von heute, und der Einzelne ist der Sklave des großartigen Massengedankens. Es gibt nichts Schönes und Vortreffliches mehr. Du mußt dir das Schöne und Gute und Rechtschaffene träumen. Sage mir, verstehst du zu träumen?« – Ich begnügte mich, mit dem Kopf zweimal zu nicken und ließ Johann, indem ich gespannt aufhorchte, fortreden: »Versuche es, fertig zu kriegen, viel, viel Geld zu erwerben. Am Geld ist noch nichts verpfuscht, sonst an allem. Alles, alles ist verdorben, halbiert, der Zier und der Pracht beraubt. Unsere Städte verschwinden unaufhaltsam vom Erdboden. Klötze nehmen den Raum ein, den Wohnhäuser und [81] Fürstenpaläste eingenommen haben. Das Klavier, lieber Bruder, und das damit verbundene Klimpern! Konzert und Theater fallen von Stufe zu Stufe, auf einen immer tieferen Standpunkt. Es gibt ja allerdings noch so etwas wie eine tonangebende Gesellschaft, aber sie hat nicht mehr die Fähigkeit, Töne der Würde und des Feinsinnes anzuschlagen. Es gibt Bücher – – mit einem Wort, sei niemals verzagt. Bleib arm und verachtet, lieber Freund. Auch den Geld-Gedanken schlage dir weg. Es ist das Schönste und Triumphierendste, man ist ein ganz armer Teufel. Die Reichen, Jakob, sind sehr unzufrieden und unglücklich. Die reichen Leute von heutzutage: sie haben nichts mehr. Das sind die wahren Verhungerten.« – Ich nickte wieder. Es ist wahr, ich sage sehr leicht ja zu allem. Übrigens gefiel mir und paßte mir, was Johann sagte. Es war Stolz in dem, was er sprach, und Trauer. Nun, und dies beides, Stolz und Trauer, ergibt immer einen guten Klang. Wieder bestellten wir Bier, und mein Gegenüber sagte: »Du mußt hoffen und doch nichts hoffen. Schau empor an etwas, ja gewiß, denn das ziemt dir, du bist jung, unverschämt jung, Jakob, aber, gesteh‘ dir immer, daß du’s verachtest, das, an dem du respektvoll emporschaust. Du nickst schon wieder? Teufel, was bist du für ein verständnisvoller Zuhörer. Du bist [82] geradezu ein Baum, der voll Verständnis behangen ist. Sei zufrieden, lieber Bruder, strebe, lerne, tu womöglich irgend jemandem etwas Liebes und Gutes. Komm‘, ich muß gehen. Sag‘, wann treffen wir uns wieder? Du interessierst mich, offen gesagt.« – Wir gingen, und draußen auf der Straße nahmen wir Abschied voneinander. Lange schaute ich meinem lieben Bruder nach. Ja, er ist mein Bruder. Wie freut mich das.

project gutenberg.com(nicht:de!), r.walser, jacob von gunten, online

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Literatur

Literatur, Literatur, Literatur

Für alle die lesen können und sich für Zettel zwischen zwei Pappen interessieren, gibt es einen Livestream vom blauen Sofa der Leipziger Buchmesse, auf dem Autoren ihre neuen Bücher vorstellen. Bei Sueddeutsche.de gibt es das Programm bis Sonntag.

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Kunst Literatur

Aufbau Ost

Ich befinde mich seit Donnerstag im Osten. Leipzig um genau zu sein. Eine halbe Million Einwohner und tatsächlich haben die noch kein flächendeckendes DSL-Netz. Hier kann man noch Bücher lesen! Nur nicht während der Buchmesse, denn zu dieser Zeit und davor wird gequatscht, gequatscht und gequatscht. Visitenkarten austauschen nicht vergessen! Man sitzt plötzlich neben Elke Heidenreich im Cafe und fragt sich, wer ist das denn nur? Dann wird man durch den Manager von Dubenhugel (oder wie heisst diese Büchereikette) erlöst. Der telefoniert gerade mit seiner Frau und erzählt ihr, wer gerade neben ihm sitzt. Währenddessen wird Elke von einer Praktikantin des Kreutzer (Stadtmagazin) fotografiert. Abends hält sie eine Lesung im Buchhandel.

Danach braucht man schnell echte Kultur. Ab ins Museum, aber dort kommt man nicht rein, weil man sich weigert die Jacke auszuziehen. Diese ist wirklich dünn und darunter trägt man sein letztes Hemd. Jede Argumentation geht baden, die älteren Damen und Herren der Security haben die SED-Rhetorik drauf. Ein dicker Oberaufseher kommt, um die Sache ins Reine zu bringen. Wahrscheinlich hat der früher Akten angelegt, damit Frau Birthler heute nicht arbeitslos ist. Das ist nunmal die Hausordnung sagt er. In dieser steht also, dass man mit Jacke nicht die Museumsräume betreten darf. Er allerdings hat ein Jackett an, das verglichen mit meiner wirklich dünnen Leinenjacke doppelt so dick ist. Darauf angesprochen geht er auf den wirklich sensiblen musealen Bereich der Luftfeuchtigkeit ein. Er wäre ja mit seiner Jacke nicht draussen gewesen. Ich schon, aber die letzten drei Tage war es schön trocken. Kein Regen im Osten! Jedenfalls macht der Ton die Musik und den hat weder der Typ noch seine Kollegen drauf. Meine Begleitung sagt mir, dass sie für die Garderobe zusätzlich Geld verlangen. Aha! Höheres Eintrittsgeld. Nicht mit mir, ich will mein Geld zurück. Das geben sie mir, allerdings nur zwei von acht Euro. Ob das eine Gaunerei sein sollte oder nur ein Versehen bleibt offen. Nach dem Versuch Kultur im Museum der bildenden Künste in Leipzig zu finden, gehe ich mit meinen acht Euro in eine wirklich tolle Studentenkneipe und schau mir die Fussballkonferenzschaltung auf Premiere an. Leipzig hat schöne Seiten und viele Menschen waren nett zu mir. Trotzdem brauchen wir mehr Aufbau Ost.

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Literatur

Freundlich vergehen

Ein schlemmender Gaukler in den Kaschemmen der Welt!…Der möchte ich sein!
Welcher Ehrgeiz! Kein Anderer! Wahrhaftig! Zum Henker! Besser ein Rundtanz um das Ewige als unheilvolles menschliches Imperium, als der riesige Maulwurfshaufen voller Komplotte…das zusammenstürzende, übervolle Wahngebilde!…Unsinnig, wer sich dem Vergänglichen hingibt!…Tausendmal besser, mit seiner Flöte in der Hand freundlich zu vergehen. (Céline, Guignol’s Band)

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Allgemein Kunst Literatur musik Weltverbesserung

hipphipphooray!

liebe kunststudent/en/innen, liebe kuenstler/innen,
hier ist das kuenstlermantra das euch helfen wird jeden selbstzweifel zu beseitigen.